All creatures welcome
Das diesjährige Chaos Communication Camp, die Sommerveranstaltung des Chaos Computer Club, ist gerade in vollem Gange (ja, es gibt auch andere große Hackerveranstaltungen im Sommer, die ich hier willkürlich ignoriere).
Das Camp findet alle vier Jahre statt. Ich bin dieses Jahr das erste Mal dabei und amüsiere mich prächtig. Was genau das Camp ist, ist schwer zu beschreiben. Gestern, in einem improvisierte Flachwitze-Open-Mic (die eigentlich geplante Veranstaltung hatte ein paar Probleme und musste später anfangen) brachte ein Hacker diesen Vergleich:
The Camp is like the Congress, only more in tents
Aber genug Gelaber, wie ist es denn so?
Wetter
Das Wetter könnte nicht viel besser sein. Gut, tagsüber ist es meist ein bisschen zu warm (insbesondere Tag 1 (Dienstag) war um die 30°C), aber durchaus ertragbar. An Tag 1 hat es auch ein bisschen gewittert, was zum Ausfall von ein paar Vorträgen geführt hat, aber meines Erachtens ansonsten kein Problem war (und sicher auch zur Abkühlung beigetragen hat).
Leute
In der ganzen Hackerszene sind einfach ein Haufen toller Leute. Ich bin eher scheu, habe es aber auch geschafft, hier und da mit mir unbekannten Leuten zu sprechen. Besondere Grüße hier an die Italian Hacker Embassy. Im Großen und Ganzen wissen sich die Leute hier viel besser zu benehmen als in der echten Welt.
Ich habe auch zwei Bekannte getroffen, einen ehemaligen Kollegen und einen Rollenspieler, beide aus Hamburg. Anders als beim Congress läuft man sich hier deutlich häufiger auch zufällig über den Weg.
Last but not least muss ich erwähnen, dass die ganze Veranstaltung von Freiwilligen („Engeln“) organisiert und durchgeführt wird. Jeder Campteilnehmer kann mithelfen.
Gadgets
Wie bei jedem Camp gibt es wieder ein elektronisches Gadget, das man sich (optional) dazubestellen kann. Eine Art elektronisches Namensschild mit viel, viel mehr Funktionen (und Programmierschnittstelle): Der flow3r-Badge. Dieses Jahr liegt der Fokus auf Musik, aber das Teil hat auch ein Display und farbige LEDs, um für Lichtspektakel und andere Spielereien zu sorgen.
Natürlich basteln sehr viele coole Leute auch an anderen Gadgets. Manche mehr, manche weniger aufwändig. Manche so, dass sie die auch Verteilen (idealerweise für eine Spende). Chaos West zum Beispiel macht Anstecker. Ein paar Chaosnahe Defaultmotive, aber man kann denen auch irgendwelche Bilder schicken, die die dann ausdrucken und die man in die Anstecket packen kann. So bin ich zum Beispiel zu meinem Napstablook-Anstecker gekommen:
Zu dem Napstablookbild habe ich auch noch eine kleine Geschichte zu erzählen, aber dazu später mehr.
Vorträge
Natürlich gibt es auch Vorträge auf dem Camp. Wie beim Congress sollte man nicht zu viel Zeit auf die Vorträge verwenden. Die Vorträge sind zwar gut, aber das Drumherum ist es, was den eigentlichen Charme ausmacht. Alle Vorträge werden live gestreamed, werden aber auch aufgezeichnet, also kann man sich alles auch später noch anschauen.
Ich gebe jetzt keinen Überblick über die Talks, die ich mir angeschaut habe, aber es ging u.a. um Datenschutzmythen, Chatkontrolle, technischen Krams. Letzte Nacht (Mittwoch/Donnerstag) gab es auch ein kleines Kaspertheater mit dem CCCasper. Es gab einen Science Slam
Lightning Talks
Natürlich gibt es auch hier lightning talks. Ein bisschen anders als auf dem Congress (10 statt 5 Minuten). Wie immer ein Feuerwerk von verschiedenen Ideen. Hier eine kurze Übersicht von gestern:
- Basebanana behandelt „Banana words“, also Worte, die immer abwechselnd Konsonanten und Vokale haben. Eine Anwendung dafür ist die Codierung von Zahlen, damit man sie sich leichter merken kann
- Sorry, Odro, ein Umweltschutzprojekt, das u.a. Wasserverschmutzung an der Oder misst (insbesondere nach dem großen Fischsterben letztes Jahr)
- „Church Of Cryptography“: Kann man Kryptografie zur Religion erheben, um sich beim Verteidigen des Rechts auf Verschlüsselung auf die Religionsfreiheit berufen zu können?
- eine kurze Einführung in Prolog
- eine Person, die während der Coronazeit digitale Versionen der ganzen Aufklebermotive gesammelt hat, die man so auf Chaosveranstaltungen findet
Ich hatte ja überlegt, ob ich einen lightning-talk über Fordite einreichen soll, habe es dann aber aus Stress sein lassen. Gute Entscheidung, der Beamer an der Bühne ist recht schwach, bei (indirektem) Sonnenlicht kann man nichts erkennen. Für einen so bildlastigen Vortrag wäre das fatal gewesen. Ich schaue mal, vielleicht kann ich den Vortrag ja auf dem diesjährigen Congress halten.
Bunt, Leuchtend und andere Kunst
Was wäre eine Chaosveranstaltung ohne jede Menge cooler Sachen, die zu nichts nütze sind, aber schön anzusehen oder zum Nachdenken anregen (aka „Kunst“). Insbesondere natürlich ein Haufen Lichtinstallationen, die nachts überall zu sehen sind.
Bei dem hier bin ich nicht sicher, ob es eine Kunstinstallation oder einfach nur Zufall ist:
Ich habe auch jemanden mit einem motorisierten und beräderten Kajak auf dem Gelände herumpaddeln sehen. Das Kajak stand gestern Abend bei Hackern aus Konstanz, vielleicht gehe ich da mal vorbei und frage, ob ich ein Foto machen (oder sogar mal darin fahren) darf.
Workshops
Workshops und Bastelsachen gibt es auch zuhauf. Löten / Elektronik, lock picking, Cyanotypie sind nur ein paar Beispiele. Es gibt einen TeX-Helpdesk, jede Menge Angebote für Kinder.
Sonstiges
Das Waffel Operation Center ist wieder aktiv, wenn auch nicht auf voller Kraft. Dem Teehaus von quadrature du net muss ich noch Besuch abstatten.
Die verschiedenen Wege auf dem Camp wurden nach Frauen in IT und Wissenschaft benannt. Hier ist eine Liste. Einige Klassiker, wie z.B. Ada Lovelace sind dabei, aber auch aktuelle Bekanntheiten wie z.B. Simone Giertz: