Stranger Than Usual

Manic Miners

Im Jahr 1999 kamen die Rock Raiders-Legosets auf den Markt. Das waren verschiedene Fahrzeuge (und ein Hauptquartier) mit einem Bergbauthema. Die Hintergrundgeschichte: Das Bergbauraumschiff LMS Explorer hat es durch eine Verkettung unglücklicher Umstände in eine andere Galaxie verschlagen, wo sie jetzt mit fast aufgebrauchten Energiereserven herumdümpelt. Glücklicherweise gibt es auf einem Planeten in der Nähe große Vorkommen von Energiekristallen. Mit denen kann man das Schiff wieder flott machen. Diese Energiekristalle müssen aber erst einmal abgebaut werden. Zu den ganzen üblichen Problemen des Bergbaus (Bewetterung, Einstürze, Magma) kommen aber auch aggressive Lebensformen (Rockmonster) dazu, die sich von diesen Energiekristallen ernähren und zu Futterneid neigen.

Die Lego-Sets waren ganz nett, bei den meisten davon gab es auch jeweils einen kleinen Comic dabei. Wirklich begeistert für das Setting habe ich mich aber erst im Jahr 2000, als ich das dazugehörige Computerspiel bei einem Besuch um Legoland Billund kennenlernte. Ein Freund von mir war auch sehr begeistert von dem Spiel. Ich habe das Spiel dann auch zum Geburtstag bekommen, unser alter Rechner damals hatte aber keine 3D-Grafikkarte, deswegen konnte ich da Spiel nur bei Freunden spielen.

Rock Raiders: Das Computerspiel

Das Spiel war eine Art Aufbaustrategiespiel. Es gab einzelne Missionen, man startete üblicherweise in einer kleinen Höhle, musste sich Legomännchen (die namensgebenden Rock Raiders) herunterteleportieren, Wände anbohren um an Erz und Energiekristalle zu kommen, Gebäude bauen, um kleinere und größere Minenfahrzeuge herunterzuteleportieren, die einem halfen, Rohstoffe schneller zu transportieren, schneller durch härteres Gestein kamen, Schutt wegräumen oder über Wasser und Lava fliegen konnten. Ziel war es meist, eine bestimmte Anzahl Energiekristalle zu sammeln, manchmal musste man aber auch verschollene Rock Raider oder eine bestimmte Höhle finden. Die Rock Raider, die man hatte konnte man ausbilden, so dass sie zum Beispiel Fahrzeuge benutzen, mit Sprengstoff umgehen oder als Geologen fungieren konnten. Man konnte ihnen auch Namen geben.

Erschwert wurde das ganze durch verschiedene Faktoren. In den meisten Missionen war nur begrenzt Sauerstoff verfügbar, man musste also schnell ein Gebäude bauen, um die Luft aufzufrischen. Wände konnten nachgeben, was Rock Raider, Fahrzeuge oder Gebäude beschädigen konnte und außerdem einen Schutthaufen hinterließ, den man wegräumen musste. Die Wände mussten also abgestützt werden. Auf manchen Karten breitete sich ein Magmasee aus, dessen Ausbreitung man mit bestimmten Methoden verlangsamen (aber nicht stoppen) konnte.

Auch die oben genannten Rockmonster tauchten auf, auch in einer in den Lego-Sets nicht vorkommenten Lavamonster und Eismonster-Version. Die wollten an die Energiekristalle, die man für den Betrieb von Gebäuden und Fahrzeugen brauchte. Dafür schlugen sie die Gebäude kaputt und warfen Rock Raider, die ihnen in die Quere kamen, durch die Gegend. Gegen die konnte man sich mit Eletrozäunen wehren, oder man rüstete die Rock Raider mit Lasern oder anderen Waffen aus. Es gab auch harmlosere, aber nicht weniger nervige Fauna. Schleimschnecken machten keine Gebäude kaputt, sondern tranken einfach die Energie aus ihnen heraus. Fledermäuse, vom Bohrlärm und Licht aufgeschreckt, versetzten die Rock Raider in Angst und Schrecken (dabei waren sie harmlos). Höhlenspinnen produzierten zur Verteidigung ein glitschiges Sekret, auf dem die Rock Raider ausrutschten (normal nur nervig, aber problematisch, wenn der Rock Raider gerade vor einer Sprengung wegläuft).

Es war ein schönes Spiel, aber es gab auch einige weniger schöne Seiten.

Probleme mit dem Rock Raiders-Spiel

Zum Einen waren da technische Probleme. Man konnte nur nach einer abgeschlossenen Mission abspeichern. Das Spiel neigte aber dazu, ohne Vorwarnung abzustürzen. Wurde ein Rock Raider beim Aufstellen eines Zauns unterbrochen, dann wurde der Zaun nicht aufgestellt, man konnte an der Stelle auch nie wieder einen Zaun aufstellen. Schleimschnecken hauten entweder sofort wieder ab oder ließen sich ums Verrecken nicht vertreiben. Hatte man beim Bau eines Gebäudes nicht genug Rohstoffe im Lager, wurde der Lagerstand implizit negativ, und die Rock Raider mussten später denselben Erzbrocken mehrmals aufheben und wieder ablegen, um das zu beheben. Schickte man aus Versehen zwei verschiedene Rock Raider in dasselbe Fahrzeug, blieb ein Rock Raider in einer Schleife stecken, in der er versuchte, das schon besetzte Fahrzeug zu benutzen und war zu nichts mehr zu gebrauchen.

Zum Anderen waren da aber die spielmechanischen Probleme und Unschönheiten. Nur ein paar Beispiele:

  • Die KI der Rock Raider war nicht besonders gut. Rock Raider neigten z.B. dazu, sich ihre Aufgaben so auszusuchen, dass sie die maximale Distanz zwischen ihnen zurücklegen mussten. Bei der Benutzung von Sprengstoff blieben sie oft zunächst stehen und liefen erst dann panisch weg, wenn der Countdown schon halb runtergezählt war.
  • insbesondere war die Wegesuche der Rock Raider schlecht. Sie nahmen immer den kürzesten Pfad, egal, ob der über eine gebaute Straße, den Höhlenboden oder einen Geröllhaufen führte. Auch neigten sie dazu, in Lava reinzulaufen.
  • insbesondere: hatte man zwei Bereiche, die nicht über den Landweg verbunden waren, spielte die Wegesuche auch verrückt
  • Die Balance bei den Waffen war nicht gegeben. Rock- und Eismonster ließen sich mit einem Schuss aus einer Laserpistole besiegen. Gegen Lavamonster halfen am Besten Eisstrahler. Schubstrahler oder Soundblaster waren völlig nutzlos
  • Rock Raider, die auf ein Monster schießen wollten, stellten sich so hin, dass das Monster gerade eben nicht in Schussreichweite war. Bewegte sich das Monster auf sie zu, war das kein Problem. Bewegte es sich weg oder überhaupt nicht, traf der Rock Raider nie.
  • Die meisten Fahrzeuge waren nutzlos. Die härteste Gesteinsart ließ sich nur vom besten Minenfahrzeug (und von Dynamit) durchbohren). Kleinere Minenfahrzeuge waren nur nützlich, um schneller durch die Gesteine zu kommen, durch die ein Rock Raider auch mit dem Handbohrer kam. Minenlaser waren völlig unbrauchbar, sie kamen nicht durch das härteste Gestein und verbrauchten zudem noch Energiekristalle. Der Hoverscout, das einfachere Fluggerät, war zwar sehr schnell, konnte aber nicht über Wasser oder Lava fliegen und außer einem Rock Raider nichts transportieren.
  • manche Fahrzeugupdates waren schlimmer als nutzlos: So konnte man einem Schaufellader Lagerfläche zum Rohstofftransport anbauen. Der Schaufellader war aber langsamer als der kleine Transporter und hatte weniger Transportkapazität. Außerdem vernachlässigte er durch den Transport von Rohstoffen seine eigentliche Aufgabe: Das Räumen von Abraum
  • Rock Raider mussten regelmäßig essen oder blieben alle paar Schritte stehen, um sich auszuruhen. Man konnte das manuell machen, dann zauberten sie eine Stulle hervor und aßen sie. Sie machten es auch automatisch, dann mussten sie aber den ganzen Weg zur Versorgungsstation zurücklegen. Auf in einer Mission mussten Rock Raider einen sehr langen weg zurücklegen, kamen aber nie an, weil sie unterwegs immer Hunger bekamen und zurück zur Basis gingen.
  • Die Anzahl der Missionen war stark eingeschränkt. Man kam nur selten dazu, ein vollständiges Hauptquartier aufzubauen, weil das Missionsziel schon vorher erreicht war. Selbst in der letzten Mission gab es eine Abkürzung, um sehr schnell an sehr viele Energiekristalle zu kommen.
  • Die eingeschränkte Anzahl der Missionen sorgte dafür, dass viele interessante Spielmechaniken nie wirklich zum Einsatz kamen, weil sich die Gelegenheit nicht ergab.
  • Ein Fahrzeug, ein Senkrechtstarter, der auch Fahrzeuge transportieren könnte, war nicht verfügbar und tauchte nur in einer Mission als Missionsziel auf.

Insgesamt also einige Probleme und viel ungenutztes Potential. Es hat sich auch schon eine Modding-Community zu dem Spiel gebildet, die zum Beispiel neue Missionen entwickelt hat. Aber ein Fan hat sich die Aufgabe gemacht, ein komplettes Remake in einer modernen Game-Engine (Unreal Engine) zu entwickeln. Er hat damit 2009 angefangen und ist im August 2023 fertig geworden.

Manic Miners

Dieses Remake heißt Manic Miners. Und es ist wirklich beeindruckend. Ich habe es kurz nach Erscheinen gespielt und war begeistert. So begeistert, dass ich meine Zeit darauf verwendet habe, es zu spielen anstatt einen Blogpost darüber zu schreiben. Deswegen kommt der jetzt erst.

Das Spiel läuft stabiler. Die KI ist besser. Das Balancing ist besser. Die ganzen nutzlosen Fahrzeuge haben jetzt unterschiedliche Eigenschaften, die sie für verschiedene Einsatzzwecke nützlicher macht. Es gibt mehrere neue Kampagnen und einen Leveleditor. Der Grafikstil ist der gleiche wie im Original, aber die Grafikqualität ist um Größenordnungen besser. Man kann die Rock Raider nicht nur benennen, sondern ihre Lego-Minifiguren auch mit vielen Optionen anpassen. Es werden auch Skins aus anderen alten Legosets angeboten, z.B. aus Ice Planet 2002:

3D-Grafik einer Lego-Minifigure aus dem Ice Planet 2002-Set. Die Figur ist in Blau und Schwarz gehalten. Sie trägt einen weißen Helm mit einem Neonorangen Visier mit Antenne.

Kurz: Der Charme und die Atmosphäre des Ursprungsspiels blieben erhalten, es läuft deutlich stabiler und nutzt viel des Potentials, das im Original nicht genutzt wurde. Und es wurde von einer einzelnen Person entwickelt.

Ich kann nur empfehlen dieses Spiel auszuprobieren. Es kostet nichts (sonst würde Lego dem Entwickler vermutlich auch das Leben schwer machen). Der Entwickler will auch keine Spenden. Wenn ihr ihn also wertschätzen wollt, dann spielt das Spiel und empfehlt es weiter wenn es euch gefällt.