Stranger Than Usual

Stempel mit Photopolymer machen

1996 gab es in der Sendung mit der Maus eine Sachgeschichte, wie man selber Stempel herstellt. Und zwar mit Hilfe von lichtempfindlichen Stempelplatten. Auch bekannt als Photopolymerplatten (unter dem Namen habe ich sie dann gekriegt).

Am Ende der Sendung (nicht in dem oben verlinkten Video, sondern in der ursprünglichen Version) hat Armin Maiwald dann noch gesagt:

Und wenn ihr das jetzt mit den ganzen 16 Schritten nicht mitgekriegt habt, schreibt uns 'nen Brief […]

Offensichtlich hat mich das damals interessiert, denn meine Eltern haben einen Brief geschrieben. Das ist jetzt 28 Jahre her, und wir sind nie dazu gekommen, die Stempel zu machen. Bis zu diesem Jahr.

Vor ein paar Wochen ist mir das mit den Stempeln wieder eingefallen. Netterweise sind die meisten Sachgeschichten ja mittlerweile auch online zu finden (siehe das Video, das ich oben verlinkt habe). Den Brief von der Maus hat meine Mutter, gut organisiert wie sie ist, auch gefunden und für mich eingescannt. Also los! Ich habe hier dokumentiert, was ich gemacht habe und wo ich von der Anleitung abgewichen bin, aber die Anleitung (sowohl das Video als auch der Brief) sind auch heute noch gut zu gebrauchen.

Schritt 0: Material besorgen

Als erstes muss man das Material besorgen. Folgendes Material/Werkzeug braucht man:

  1. eine lichtempfindliche Stempelplatte (ich habe das heute unter dem Namen „Photopolymerplatte“ gefunden)
  2. eine Spezialfolie zum Einfärben von Kopien (habe ich unter dem Namen „Transferfolie“ gefunden)
  3. einen Laserdrucker oder einen klassischen Kopierer (Tintenstrahl geht nicht, und ich habe mit unterschiedlichen Laserdruckern unterschiedlich gute Erfahrungen gemacht).
  4. einen Stempelgriff oder einen Holzklotz, an dem man die Stempelplatte hinterher festmacht
  5. eine Plexiglasfläche irgendeiner Art (ich habe einen Deckel einer alten CD-Hülle genommen)
  6. ein Papp/Kartonrohr, etwa 30cm lang (kann man auch selber aus einem DIN A4-Blatt basteln)
  7. ein Bügeleisen
  8. einen Fön
  9. einen weichen Pinsel oder eine ausrangierte Zahnbürste
  10. Doppelseitiges Klebeband

Ich fand es nicht leicht, an die Photopolymerplatten und die Spezialfolie zu kommen. Der Brief von der Maus hat am Ende eine Liste wo man so etwas bekommt, aber das war vor 28 Jahren. Die meisten der Läden haben mittlerweile dicht gemacht. Klassische Läden (auf neudeutsch „brick and mortar“) habe ich bei mir in der Gegend nicht gefunden. Am Ende habe ich einen Versandladen in Österreich gefunden. Da waren die Versandkosten natürlich entsprechend hoch. Vermutlich hätte ich das auch günstiger bekommen können, wenn ich mich nicht geweigert hätte, das bei Amazon zu kaufen.

Schritt 1: Ein Motiv

Im Mausoriginal hat Armin eine Blume gemalt und die dann kopiert. Das Schöne an dem Verfahren mit dem Photopolymer ist aber, dass es ziemlich einfach ist, Computergrafiken als Stempel zu nehmen. Zum Beispiel das fliegende Spaghettimonster. Oder Napstablook, von dem ich ja letzts Jahr eine SVG-Datei gemacht habe. Im Napstablook-SVG habe ich dann noch die äußeren Linien etwas dicker gemacht. Hätte aber wahrscheinlich auch so funktioniert:

Ein traurig aussehender Geist

Eine stilisierte Darstellung des fliegenden Spaghettimonsters

Das Motiv sollte in schwarzweiß sein. Dann muss es mit einem Laserdrucker ausgedruckt werden. Der Laserdrucker-Teil ist wichtig, weil sonst die Übertragungsfolie nicht funktioniert.

Schritt 2: Die Folie

Um das Motiv auf die Transferfolie zu kriegen, muss es aufgebügelt werden. Dazu erst einmal das Bügeleisen vorheizen, auf die Temperatur für Baumwolle (kein Dampf!).

Dann ein bisschen Papier (Zeitungspapier) unterlegen, die Kopie da drauf, ein Stückchen der Folie ausschneiden und auf mit der farbigen Seie (bei mir: rot) nach oben auf das Motiv legen. Dann noch ein Papier darüber (um das Bügeleisen zu schützen). Die Folie sollte etwas größer als das Motiv sein und das Motiv ganz abdecken.

Dann Bügeln. Dabei feste drücken. Am Ende ein bisschen warten, bis sich Papier und Folie wieder abgekühlt haben. Dann die Folie vorsichtig von dem Papier trennen. jetzt sollte die Folie dort, wo der schwarze Teil von dem Motiv war, durchsichtig sein und ansonsten immer noch farbig und undurchsichtig. So sah es bei mir aus:

Links: ein rote, undurchsichtige Folie, die in er Mitte einen durchsichtigen Teil in der Form des fliegenden Spaghettimonsters hat. Rechts: ein rot gefärbter Ausdruck des fliegenden Spaghettimonsters

Schritt 3: Die Belichtung

Das Photopolymer funktioniert so: Dort, wo UV-Licht hinfällt, härtet es aus. Dann kann man den Rest wegwaschen. Um eine brauchbare Belichtung hinzukriegen, gibt es verschiedene Methoden. Ich habe im Internet einige gefunden. Wenn man eine passende UV-Lampe hat (fragt mich nicht, was genau für eine), kann man die nehmen. Andere Quellen meinen, man müsse das Werkstück für eine halbe Minute oder so direkt in die SOnne legen. Ich halte mich aber an das, was in dem Brief von der Maus steht, das hat bei mir gut funktioniert. Dafür brauchen wir erst einmal eine Belichtungsröhre.

Die Belichtungsröhre besteht aus einem Plexiglasstück (in meinem Fall der Deckel einer alten CD-Hülle) und einer Kartonröhre. Im Mausvideo haben die die Röhre selber gebastelt. Im Haus meiner Mutter, wo ich zu besuch war, weil ich keinen Drucker, Bügeleisen oder Fön habe, hat sich noch eine fertige Pappröhre gefunden. Das ist meine Belichtungsröhre:

Auf einem CD-Hüllendeckel ist mit Tesafilm eine Pappröhre aufgeklebt

Die nächsten Schritte sollten in einem eher dunklen Raum durchgeführt werden. Muss nicht stockfinster sein, aber es sollte kein direktes Sonnenlicht und nur wenig indirektes Sonnenlicht hereinscheinen. Dann die Photopolymerplatte aus der Verpackung holen, ein Stück abschneiden (geht mit Schere) dass ungefähr so groß ist wie das Folienstück. Den Rest Photopolymer wieder einpacken, die Schutzfolie vom Polymer abziehen, die Transferfolie mit der roten Seite nach unten auf die Seite der Polymerplatte legen, wo gerade eben noch die Schutzfolie war und die Belichtungsröhre drüber.

Dabei darauf achten, dass der Motivteil der Transferfolie vollständig auf der Polymerplatte liegt. Gegebenenfalls auch festkleben, damit nichts verrutscht. Wichtig ist auch, dass die rote Seite nach unten ist, sonst ist das Ergebnis am Ende seitenverkehrt. Ich habe das beim fliegenden Spaghettimonster falsch gemacht, aber da ist es auch nicht so wichtig. Bei den Stempeln, die ich vorher gemacht habe, und wo es wichtig war, habe ich es richtig gemacht.

Die Belichtungsröhre dann nach draußen stellen. Es darf dabei kein direktes Sonnenlicht auf das Polymer fallen, aber die Belichtungsröhre muss freien Blick auf den Himmel haben (z.B. sollten keine Blätter eines Baumes im Weg sein).

Die Belichtungszeit ist unterschiedlich. Im Brief der Maus ist eine ausführliche Tabelle, wie lange bei welchem Wetter zu welcher Tageszeit und zu welcher Jahreszeit mindestens belichtet werden muss. Je nach Wetter und Jahreszeit geht es auch einfach nicht.

Belichtungszeit in Minuten Frühling & Herbst Sommer Winter
Mittag früh & Nachmittag Mittag früh & Nachmittag Mittag früh & Nachmittag
strahlender Sonnenschein 25 40 15 20 35 45
heiter 35 45 20 25 45 60
wolkig 45 60 25 30 60 75
stark bewölkt und düster 90 nope 40 60 90 nope

Die Mindestzeit sollte eingehalten werden, ein bisschen länger ist nicht schlimm. Eine deutlich zu lange Belichtungszeit würde aber dafür sorgen, dass die Kanten des Stempels verschwimmen.

Schritt 4: rituelle Säuberung

Nach der Belichtung die Polymerplatte von Turm und Folie trennen und mit einer weichen Bürste und etwas Seifenwasser gründlich säubern. Dabei sollten alle nicht ausgehärteten Reste des Polymers weggewaschen werden. Das Zeug ist ungefährlich für die Hände, es sei denn, man ist allergisch. Am Ende sollte keine Schmiere mehr da sein. Die Platte ist aber vermutlich noch etwas klebrig.

Als nächstes das Teil 15 Minuten lang trockenföhnen. Ich habe es kürzer gemacht und es dafür noch ein wenig zum trocknen bzw. Nachhärten in die Sonne gelegt (andere Quellen im Internet haben das empfohlen). Was besser ist, kann ich noch nicht sagen, aber für mich hat es funktioniert. Das Ergebnis sieht bei mir so aus:

Eine Plastikplatte auf der als Relief das fliegende Spaghettimonster zu sehen ist.

Schritt 5: Der Stempelgriff

Jetzt muss der Stempel nur noch irgendwie greifbar gemacht werden. Dazu braucht man einen Stempelgriff oder ein Holfzklötzchen in passender Größe, idealerweise ein bisschen abgeschmiergelt, damit man sich keine Splitter zieht.

Doppelseitiges Klebeband auf die Stempelplatte kleben (auf der ebenen Seite offensichtlich, nicht die Seite mit dem Relief). Noch eine zweite Schicht doppelseitiges Klebeband (nicht vergessen die Schutzfolie von der ersten Schicht zu entfernen), damit der Stempel ein bisschen federt. Erst dann die Stempelplatte möglichst genau auf den eigentlichen Stempel zuschneiden (dabei insbesondere noch Ränder abschneiden, die auch belichtet wurden, obwohl sie nicht Teil des Motivs sind). Am Ende dann den Stempel an den Griff kleben. Fertig ist der Stempel:

Stempel mit fliegendes-Spaghettimonster-Motiv, mit der Stempelfläche nach oben. Es ist noch keine Farbe am Stempel.

Schritt 6: Alles stempeln, was nicht bei drei auf den Bäumen ist

Drei Stempelabdrücke des fliegenden Spaghettimonsters in schwarzer Farbe auf weißem Papier. Daneben mit dem Motiv nach oben der dazugehörige Stempel

Vier Stempelabdrücke von Napstablook in blauer Farbe auf weißem Papier. Daneben mit dem Motiv nach oben der dazugehörige Stempel

Fazit

28 Jahre, und endlich ist es was geworden. Und es hat erstaunlich gut funktioniert. Ich habe auch noch ein paar andere Stempel gemacht, z.B. einen für die Spielleiterin einer meiner Rollenspielrunden, mit dem Wappen des (mittlereile sein tausenden von Jahren untergegangenen) Elfenreiches.

Man kann die Belichtung natürlich auch anderes machen als mit dieser Transferfolie. Aber das ist halt die Methode, die bei der Maus verwendet wurde. Als ich nach dem Namen des Erfinders (der sowohl in dem Brief als auch in der Sachgeschichte genannt wurde) habe ich außerdem dieses Patent gefunden.

Das Patent ist mittlerweile abgelaufen. Warum der das überhaupt patentiert hat weiß ich nicht, weil im Patent explizit erwähnt wird:

Die Erfindung erlaubt es, auch Privat­ personen, Schulkinder, Heimwerker o. dgl. in die Lage zu versetzten, mit einem einfachen Materialsatz von einem grafischen Positiv Stempel oder andere Reliefreproduk­ tionen oder Flächenmuster herzustellen.

Also nicht gerade die Gruppe von Leuten, die Patentgebühren zahlen würde. Ich vermute mal, der hat das einfach gemacht, weil er stolz war, dass er auf die Idee gekommen ist. Gönne ich ihm.