Stranger Than Usual

Umzug nach Nijmegen

Nach siebeneinhalb Jahren in Hamburg bei freiheit.com habe ich jetzt einen neuen Job in den Niederlanden, eine Forschungsstelle in der Digital Security Group an der Radboud Universiteit (kurz „RU”).

Wie ist es dazu gekommen? Eine ehemalige Kommilitonin von mir ist dort jetzt Assistenzprofessorin, die suchten noch Leute, und ich wollte mal etwas Neues ausprobieren. Das ganze ist schon seit einigen Monaten geplant, um im August geht es los.

Passwörterwahnsinn

Für die Stelle an der Uni musste ich dort natürlich auch einen Account erstellen. Dafür brauchte ich ein Passwort. Um ein sicheres Passwort zu bekommen, lasse ich mir meist einfach eins generieren, in diesem Fall hiefai5Jae. Halbwegs zufällig, Groß- und Kleinbuchstaben, eine Ziffer, zehn Zeichen, keine echten Wörter.

Ziemlich sicher, sollte man meinen. Das System der RU hat strenge Passwortregeln. Ich bin nicht der Einzige, der solche Probleme hat, Bruce Schneier hat sie auch. Ich könnte einen ganzen Blogpost darüber machen, was sinnvoll ist und was nicht (ich habe mal einen Kurzvortrag darüber gehalten, kurze Zusammenfassung: keine Regeln außer einer Mindestlänge, dafür ein Wörterbuchcheck und ein check gegen Have I Been Pwned).

Es fehlte also ein Sonderzeichen, aber auch das hat nicht geholfen: hiefai5JaeFUCKYOUANDYOURSTUPIDPASSWORDRULES! wurde auch nicht akzeptiert. Password Purgatory hätte das nicht besser machen können.

Radwege und Stadtplanung

Aber zu erfreulicheren Themen: Ich fahre ja gerne mit dem Fahrrad zur Arbeit. In meiner Zeit in Hamburg war das der Regelfall. Zur Arbeit war das Fahrrad dort meine schnellste Option. Schneller als zu Fuß oder mit dem ÖPNV, schneller als mit dem Auto, wenn man Parkplatzsuche und weg vom/zum Parkplatz mitrechnet.

Über den ÖPNV in Hamburg kann ich mich meist nicht beklagen, der ist deutlich besser als in meiner Heimatstadt Essen. Die Fahrradinfrastrutkur ist auch besser, aber definitiv noch verbesserungswürdig. Radwege, die hin- und herschwenken, plötzlich aufhören oder plötzlich anfangen, wenn man vorher gerade auf die Straße gewechselt hat, dann aber unerreichbar sind, gefährliche Mischung aus Straße und Radweg, die zu einem beinahe tödlichen Unfall geführt hat… Das geht besser.

Und die Niederlande machen es besser! Als ich im März das erste Mal in Nijmegen war, sind mir sofort die guten Radwege und die Radschnellwege aufgefallen. Autos müssen außen herum, ÖPNV und Fahrräder können die kurze Route nehmen.

Und das kommt nicht von ungefähr: Dahinter stecken Planung und jahrzehntelange Verbesserung.

Not Just Bikes

Ein (mittlerweile ehemaliger) Kollege hat mich dann auf den Youtube-Kanal Not Just Bikes aufmerksam gemacht.

Der Macher dieses Kanals ist gebürtiger Kanadier, hat in vielen Städten auf der ganzen Welt gelebt und irgendwann begonnen, sich für Stadtplanung zu interessieren. Er ist in die Niederlande gezogen, weil ihm die dortige Stadtplanung gefällt.

Wie der Titel schon sagt: Es geht nicht nur um Fahrräder. Der Autor vergleicht an vielen Punkten die Stadtplanung Nordamerikas (USA und Kanada) mit der in den Niederlanden und teilweise auch anderen Ländern. Ihm geht es darum zu vermitteln, wie eine Stadt ein lebenswerter Ort wird, wie man die Autoabhängigkeit verhindert und warum sich das für Städte auch finanziell lohnen kann.

Das geht in Deutschland auch!

Die Vergleiche mit Deutschland kommen in dem Kanal ein bisschen zu kurz, aber ich habe einen Blogpost eines anderen Deutsch-Niederländers ausgegraben, in dem einmal detailliert dargestellt wird, was in den Niederlanden bei der Stadt- und Verkehrsplanung gut läuft, warum Deutschland jetzt gerade die Fahrradinfrastruktur der 80er baut und warum Argumente wie „wir haben keinen Platz dafür“ nur schlechte Ausreden sind.

Ich bin der Meinung, dass wir in Deutschland durchaus das Potential haben, unsere Fahrradinfrastruktur deutlich zu verbessern. Das geht natürlich nicht von jetzt auf gleich, die Niederlande haben dreißig Jahre Vorsprung. Auf der anderen Seite kann man sich bei denen jetzt wunderbar abschauen, was funktioniert und was nicht. Wir müssen also nicht viel neu erfinden, wir können uns auf Bewährtes verlassen.

Zum Ausklang hier noch ein Video von 2016 aus Nijmegen, dass die Fahrradinfrastruktur aus Sicht des Fahrradfahrers zeigt.