Stranger Than Usual

Über die Benennung der Arten

Die biologische Systematik wird manchmal als Wissenschaft, manchmal auch als Kunst bezeichnet, aber in Wirklichkeit ist sie ein Schlachtfeld.

-- Bill Bryson, Eine kurze Geschichten von fast allem

Disclaimer: Das hier ist nicht ernst gemeint.

Biologische Systematik kann manchmal schon ganz schön gemein sein. So werden manche Spezies, Familien oder andere Gruppierungen als „echt“ bezeichnet, zum Beispiel der echte Lavendel oder die echten Schweine. Das impliziert ja, automatisch, dass andere Spezies nicht „echt“ sind. Und alles nur, weil irgendjemand die eine Art zuerst beschrieben hat. Oder einfach willkürlich festgelegt hat, dass die eine Art echt ist und die andere nicht.

Aber bei diesen impliziten „nicht echt“ bleibt es ja nicht. So gibt es zum Beispiel den echten Clownfisch und den falschen Clownfisch. Gehören zur selben Gattung. Sind ähnlich groß, sehen ähnlich aus, leben beide in Symbiose mit Seeanemonen. Trotzdem ist die eine Variante echt und die andere nicht. Die armen falschen Clownfische müssen jetzt für immer damit leben, nicht echt zu sein. Es ist ja nicht so, als ob sie so tun würden, die andere Spezies zu sein. Sie sehen einfach so aus, und da wird ihnen hier quasi Betrug unterstellt.

Noch schlimmer hat es den falschen Mehltau getroffen. Die Arten des falschen Mehltau sind nicht näher mit dem echten Mehltau verwandt. Die Arten des echten Mehltau sind Pilze. Es sind Eipilze, und damit, trotz des Namens, nicht viel näher mit den Pilzen verwandt als wir Menschen. Tatsächlich sind sie näher mit Braunalgen verwandt. Trotzdem kriegen sie den Stempel „falsch“. Obwohl sie einfach nur vor sich hinparasitieren wollen. Und da kommt irgendein Naturforscher und sagt: „Hey, dieses Lebewesen befällt Pflanzen, das macht der Mehltau auch, also nennen wir das auch Mehltau. Aber ist ja nicht echt, also mit „falsch“ davor“.

Der falsche Mehltau war also nur zur falschen Zeit am falschen Ort! Hier noch ein paar Beispiele:

Die Liste der biologischen Justizirrtümer lässt sich forsetzen, sucht nur einmal bei Wikipedia nach „unecht“ oder „falsch“ und lasst euch die Suchvorschläge anzeigen.

Und damit habe ich noch nicht einmal die Klassengesellschaft der biologischen Klassifizierung angesprochen. So gibt es zum Beispiel von vielen Lebewesen eine „gewöhnliche“ Art, zum Beispiel die gewöhnliche Robinie oder den gemeinen Efeu. Was ja impliziert, dass die Verwandten etwas Besonderes sind, im Gegensatz zur gewöhnlichen Variante. Auch das ist Willkür! Es könnte genauso gut anders herum sein. Hier werden Lebewesen quasi in den Adelsstand erhoben, während ihre gemeinen Verwandten zurückbleiben.

Man sollte etwas dagegen tun. Ich aber nicht. Mir geht ja schon der echte Thymian ein, wenn ich ihn im Topf halte (im Beet geht es im viel besser und er hält jetzt schon Jahre durch). Meine echte Aloe wächst mittlerweile wieder ganz gut, nachdem ihr Lichtmangel in meiner Wohnung zu sehr zu schaffen gemacht hat. Die Revolution der Pflanzen muss jemand anderes übernehmen.