Stranger Than Usual

Bahncard-Tortur

Ich sollte mal eine Statistik aufstellen, welche Tags in diesem Blog am häufigsten zusammen vorkommen. Ich würde wetten, es sind „rant“ und „deutsche bahn“.

Was ist es diesmal? Mal wieder der Onlineauftritt, in Kombination mit ihrem halbgaren Digitalzwang. Ich wollte nur eine Bahncard kaufen, weil ich demnächst häufiger mal nach Hamburg fahren muss. Mein Ärger fing schon beim Login an.

Passwortrichtlinien

Die DB hat ihre Passwortrichtlinien geändert. An sich kein Problem. Bisher wurden definitiv zu kurze Passworte erlaubt. Aber anstatt nach dem Stand der Wissenschaft zu gehen, sehe ich das hier:

For your own security, please choose a password that you have never used before. At least 12 characters, contains uppercase letters, contains lowercase letters, contains numbers, contains special characters, not your e-mail address

7 Regeln, nur drei davon sind gut: Das Passwort muss neu sein, mindestens 12 Zeichen lang, nicht die E-Mail-Adresse.

Ich habe mich dazu schon öfters ausgelassen, deswegen spare ich mir das jetzt. Siehe Umzug nach Nijmegen, Sparkasse pushTAN und das Passwort und Furchtbare Passwortrichtlinien bei der Bundesagentur für Arbeit. Manchmal frage ich mich, wer im falschen Paralleluniversum lebt. Bin ich es, und bilde mir nur ein, dass so komplizierte Passwortregeln als kontraproduktiv erwiesen wurden? Oder die Erfinder solcher Vorgaben, die die letzten zehn Jahre oder mehr verschlafen haben?

Dann war ich endlich eingelogged. Ich habe mir die Bahncard herausgesucht, „Lastschrift“ als Zahlart ausgewählt und wollte die Bestellung abschließen. Ich muss nur noch einen kleinen Schritt durchführen, sagt die Bahn-Website.

Identifizierung durch Verimi

Ich muss nur noch meine Identität bestätigen. Wo kämen wir denn hin, wenn ich für jemand anderen eine Bahncard kaufen könnte? Zur Identitätsbestimmung gibt es mehrere Möglichkeiten.

Als Erstes die E-Perso-App, oder wie die heißt. Ich habe zwar gerade einen neuen Perso bekommen, habe das aber noch nicht eingerichtet, außerdem fehlt mir der Chipkartenleser. Also fällt das erst einmal weg.

Als Zweites kann ich Verimi (oder einem anderen Drittanbieter) meine Logindaten für mein Online-Banking geben, dann können die sicher sein, dass ich ich bin. Meine Logindaten. Für Online-Banking.

Kermit der Frosch am Telefon: JA, DIE HABEN ALLE LACK GESOFFEN. NEIN, ICH WEIß NICHT WIE VIEL

Das ganze hat bei mir Flashbacks ausgelöst. Damit musste ich Silvester 2023 auch schon kämpfen, als ich mir ein Deutschlandticket besorgen wollte.

Die dritte Option war, meinen Perso zu Fotografieren und denen gleich auch noch ein Selfie zu schicken. Auch nicht meine Lieblingsvariante, insbesondere nach dieser Geschichte neulich, bei der eine Hotelkette Ausweisdaten gesammelt und nicht gesichert hat. Aber ich brauche diese Bahncard. Nach einigem Herumprobieren (Verimi war pingelig, was die fotografische Qualität meines Ausweises anging) war ich dann identifiziert.

Aber wenigstens kann ich dann endlich mit Lastschrift zahlen, oder?

Die Zahlart

„For the better, right?“ meme. Vier Panels. Panel 1: Anakin: „Du musst dich ausweisen.“ Panel 2: Padme (fröhlich): „Dann kann ich per Lastschrift zahlen, richtig?“. Panel 3: Beat Panel, Anakin schweigt. Panel 4: Padme (zweifelnd): „Richtig?“

Hahaha. Nein.

Die Zahlung konnte nicht durchgeführt werden. Die Zahlung konnte mit dem gewählten Zahlungsmittel nicht durchgeführt werden. Bitte wählen Sie ein anderes Zahlungsmittel.

Ok, dann also Paypal. Ich lese immer wieder von Leuten die schreiben, man solle Paypal nicht benutzen, weil Peter Thiel ein Arschloch ist. Ist er, aber irgendwie muss ich ja meine Bahntickets bezahlen.

Immerhin habe ich jetzt das Bahnticket. Das wird natürlich automatisch verlängert, man kann es, ähnlich wie das Deutschlandticket, nur im Abo kaufen. Zwei Mal bin ich schon darauf hereingefallen, dass ich vergessen habe, die Bahncard zu kündigen, dann habe ich eine Rechnung bekommen, die in den ganzen Ihr-Zug-kommt-zu-spät-oh-nein-doch-nicht-oh-warte-doch-ach-ne-er-fällt-komplett-aus-Spam-Emails untergegangen ist, und statt einer Mahnung haben sie mir dann direkt ein Inkassounternehmen auf den Hals gehetzt, dass eine saftige Strafgebühr verlangt hat. Vielleicht lassen sie mich deswegen nicht per Lastschrift zahlen. Ihr wisst, schon, dann würde das ja automatisch abgebucht und sie bekämen die Strafgebühr nicht.

Dass ich verdammte vier Wochen vor Ablauf kündigen muss, halte ich auch für eine Frechheit. Immerhin werde ich darauf hingewiesen. Und als weiteren Beweis, dass die Bahn unfähig ist, eine Website zu bauen, haben sie ihr HTML auch einmal zu viel escaped und zeigen statt einem Link den rohen HTML-Code an:

Eine Infobox, die die Kündigungsbedingungen der Bahncard erläutert. Darin ist HTML-Code, der wohl ein Link zur Seite mit der Widerrufsbelehrung werden sollte.

Gut, wann schicken die mir meine Bahncard zu?

Digitalzwang

Das war eine Fangfrage. Natürlich schicken die mir keine Bahncard mehr zu. Physische Bahncards haben ausgedient, das hatte ich schon vorher mitgekriegt. Digitalcourage hatte das immer mal wieder angesprochen.

Ich brauche also die DB-Navigator-App. Eine App, die wegen Datenschutz- und Sicherheitsproblemen immer mal wieder in den Schlagzeilen war. Ist aber auch irrelevant, ich kann die App nicht installieren, weil ich den Playstore nicht auf meinem Phone habe. Immerhin kann man mittlerweile ein Ersatz-PDF herunterladen, dass man dann ausdrucken oder auf einem Gerät vorzeigen kann. Aber wo finde ich das?

Es gibt eine Website mit einer laaangen Anleitung, wie man die DB-Navigator-App benutzt. Darunter ein Video, wie man die PDF-Bahncard herunterladen kann. Darunter noch eine „barrierefreie“ Option. Diese Option ist eine PDF-Datei mit vielen Bildern. 9 Seiten lang. 8 Seiten davon eine Anleitung, warum man doch lieber die App verwenden sollte. Auf Seite neun dann fünf kurze Punkte, wo man die Bahncard-PDF-Datei findet (sie ist gut versteckt). Fünf Punkte auf einer Strichpunktliste. This PDF could have been a website.

Naja, jetzt habe ich die Bahncard wenigstens. Und habe schon wieder zwei Stunden verbracht, diesen Blogpost zu schreiben. Ich hatte heute noch etwas anderes vor.