Stranger Than Usual

Fragdenstaat.de gewinnt Rechtsstreit gegen BfR

1. Akt: Das Gutachten

Ich hatte im Mai 2019 schon davon berichtet: Fragdenstaat.de, eine Organisation, die staatliche Informationen via Informationsfreiheitsgesetz anfordert und dann veröffentlicht, musste ein Gutachten über Glyphosat wegen einer Urheberrechtsbeschwerde des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfI) wieder offline nehmen.

Nun ist es natürlich absurd, dass ein Gutachten, das von Steuergeldern finanziert wurde, für politische Entscheidungsfindung genutzt wurde und für jeden, der es lesen will, per Anfrage einsehbar ist, nicht einfach offen im Netz stehen darf.

2. Akt: DDoS auf das BfR

Fragdenstaat.de hat daraufhin getan, was sie in solchen Fällen immer tun: Statt dem Gutachten haben sie ein Formular online gestellt, bei dem sich jeder eintragen wollte, der das Gutachten lesen will.

Die Idee dahinter: Wenn nur genug Leute das anfragen, hat die entsprechende Behörde keine Lust mehr, alle Anfragen einzeln zu beantworten und stellt die Dokumente entweder auf der eigenen Website frei zu Verfügung oder erlaubt fragdenstaat.de die Veröffentlichung.

Beim BfR hat das nicht so gut funktioniert. Obwohl innerhalb kürzester Zeit zehntausende Anfragen eingingen, hat das BfR die Dokumente nicht einfach online gestellt. Stattdessen haben sie eine Website mit Zugriffsschutz gebaut, die meiner eigenen Analyse nach absichtlich umständlich zu bedienen ist, einen (leicht zu umgehenden) Schutz gegen rechte Mausklicks hat und dazu noch nicht barrierefrei ist, weil die Dokumente nicht in einem Textformat, sondern als Bilddateien veröffentlicht wurden.

3. Akt: Freiklagen des Gutachtens

Fragdenstaat.de hat das natürlich nicht gereicht, also haben sie die Dokumente auch freiklagen wollen. Nach drei Jahren Rechtsstreit und mehreren Instanzen haben sie jetzt vor dem Bundesgerichtshof Recht bekommen.

Epilog: Die nächste Forderung von fragdenstaat.de ist, dass ein Gesetz verabschiedet wird, dass explizit regelt, dass Veröffentlichen behördlicher Dokumente immer urheberrechtlich zulässig ist. Das würde in Zukunft auch Gerichtskosten von mehreren hunderttausend Euro zu lasten des Steuerzahlers vermeiden.

Nebenbemerkung: Glyphosat

Mir geht es bei dieser ganzen Sache nicht um Glyphosat, sondern um Transparenz. Ich habe keine Ahnung von der Schädlichkeit oder nicht-Schädlichkeit von Glpyhosat. Ich habe auch keine Meinung dazu. Aber ich finde, um Vertrauen in Regierung, Verwaltung oder den Staat im Allgemeinen zu haben darf der Staat nicht den Eindruck machen, Informationen vorenthalten zu wollen.

Das besagte Gutachten ist nur wenige Seiten lang und bezieht sich hauptsächlich auf veröffentlichte wissenschaftliche Arbeiten. Es enthält keine brisanten neuen Informationen und wurde mit Steuergeldern finanziert. Es gibt keinen Grund, den Zugriff hier einzuschränken.

Wer aber eine schöne Zusammenfassung über Glyphosat haben möchte: maiLab hat dazu mal ein Video gemacht. Fazit: Verschiedene Institutionen kommen aus jeweils nachvollziehbaren Gründen zu unterschiedlichen Ergebnissen bezüglich Krebsrisiko.